Karate ist nicht nur im Dojo.
Genau diesen Gedanken nahm ich mir zu Herzen, als ich im Juni nach 6 Jahren Studium in den Urlaub aufbrach. Mit einem Zwischenstopp wieder in der Heimat (um als Betreuer zum Kinder-und Jugendcamp nach Dohna zu fahren) ging es für 8 Wochen über Dänemark nach Schweden und Norwegen. Im vollbeladenen Bus fanden sich neben einem Wanderrucksack, Fahrrad und Kajak auch Gi und Obi. Okey, der ein oder andere wird sagen: „Typisch Max“, doch alle anderen werden sich fragen, warum ich meine Trainingssachen mit in den Urlaub nahm. Ganz einfach: Karate findet nicht nur im Dojo statt. Es ist für mich mehr als nur ein Sport. Es ist eine Art Philosophie. Jemand der nur zu den paar Trainingseinheiten in der Woche geht und dort fleißig seine Katas läuft und Fitness trainiert, macht einen tollen und abwechslungsreichen Sport. Aber macht er wirklich Karate? Ich meine Karate ist eine Kampfkunst und eine Kunst erlernt man nicht, wenn man sich nur 3 Stunden in der Woche übt. Vielmehr sollte man versuchen sie in sein Leben zu integrieren. Klingt schwierig, ist es aber nicht. Im Karate trainieren wir neben unserem Körper auch unseren Geist. Wir beobachten und analysieren, wir überwinden unsere Grenzen, bauen Mut auf, halten Anstrengungen aus und meditieren. Genau das habe ich in den Wochen meiner Reise gemacht und somit ohne ein Dojo, Karate trainiert. Die ersten 3 Wochen verbrachte ich in Dänemark, wo ich auf wunderbaren Radwegen große Teile der Nordseeküste erkundete und nach dem vielen Sitzen in den letzten Jahren so meinen Kreislauf wieder etwas auf Touren brachte. In besonderer Erinnerung wird mir hier bleiben, wie ich noch am ersten Abend zwei Stunden lang direkt am Strand entlang radeln konnte und mir dabei noch einen schönen Sonnenbrand holte. Als der Juli anbrach ging es für mich weiter nach Schweden. Mit seiner schieren Unzahl an Seen und Flüssen bietet sich dieses Land einfach zum Wasserwandern an. So belud ich mein Kajak mit Proviant und Ausrüstung bevor ich mich für 7 Tage aus der Zivilisation des Campingplatzes in die schwedische Natur verabschiedete. Hierzu muss man sagen, dass sogar der Campingplatz schon 17 km Schotterstraße von der nächsten richtigen Stadt entfernt war. Jeden Abend suchte ich mir eine neue eigene Insel auf der ich meine Hängematte aufbaute. Es klingt total romantisch, alleine auf einer Insel eines riesigen See zu schlafen. Aber wenn es dann dunkel wird, im umliegenden Wald die Tiere aktiv sind und in der Nacht vielleicht noch ein Sturm aufzieht, muss man sich doch mehr zusammenreißen als man denkt. Aber nachdem ich die Lage genau beobachtet und analysiert habe, wurde mir bewusst, dass ich auf einer überschaubaren Insel mitten in einem See bin. Hier kann mir ja gar nicht passieren. Und so konnte ich die Ruhe und Einsamkeit doch sehr schnell genießen. Es ist schon toll nach einem Bad im kristallklaren Wasser in der Hängematte zu liegen und die Sonne beim Untergehen zu beobachten. Später ging es an die Ostküste Schwedens, wo ich den Höga Kusten Leden laufen wollte. Das ist ein Fernwanderweg welcher sich über 130 km Luftlinie durch die Berge im entsprechenden Schärengürtel zieht. Für mich war es die erste Mehrtageswanderung, sodass ich den typischen Anfängerfehler machte und viel zu schwer packte. Die 15 kg Gepäck haben mir in den 6 Tagen so einiges abverlangt und schon am zweiten Tag gingen mir die Blasenpflaster aus. Aber die grandiosen Aussichten auf den Bergkuppen, die (noch so kalten) Abende am Lagerfeuer und schlichtweg die ursprüngliche Natur entschädigten mich jeden Tag aufs neue für die Anstrengungen. Als ich nach knapp einer Woche wieder an meinem Auto ankam und auf den nächsten Zeltplatz fuhr, war ich sehr froh das ich mich doch durchgerungen habe, diese Wanderung zu machen und somit meine alten physischen und psychischen Belastungsgrenzen überwinden konnte. Und ich kann euch sagen, das erste Eis danach hat so gut geschmeckt wie keines je zuvor. Zuletzt ging es für mich ganz spontan nach Norwegen, wo ich immer abwechselnd die Fjorde mit dem Kajak erkundete und anschließend die anliegenden Berge bestieg. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl wenn man in seinem Kajak sitzt, links und rechts von einem die Felswände 300m steil nach oben gehen und man von Schweinswalen begleitet in den Sonnenuntergang paddelt. Für mich als Hobby-Angler bot das selbstverständlich die gern genutzte Möglichkeit zwei Wochen lang jeden Tag fangfrischen Fisch zu essen, auch wenn mir nicht immer recht war, was sich meine Köder schnappte. So war mir schon ziemlich mulmig als einmal ein Tintenfisch neben meinem Boot hochkam, seine Tentakel wütend in die Luft schwang und mit Tinte nach mir spritzte. Eines meiner persönlichen Highlights war aber ohne Frage die Trainingseinheit die ich mir in 710m Höhe auf dem Lihesten bei Hyllestad gönnte. Nach einem zweistündigen Aufstieg mit Kletterpassagen konnte ich mich in das Gipfelbuch eintragen und dort den magischen Moment des Gi Anziehens genießen. Bei so einem Ausblick fühlt sich jede Kata majestätisch an. Und ganz nebenbei schauen die anderen Leute die den Gipfel erreichen ziemlich verdutzt wenn man oben im Karateanzug steht. In diesen Wochen habe ich also auch ohne ein Dojo weiter Karate trainieren können. Zum Schluss möchte ich euch also vorschlagen, haltet selber mal in eurem Leben die Augen offen. Wenn ihr etwas sucht werdet ihr garantiert Aspekte finden, die ihr aus dem Karate-Do kennt. Und wenn ihr den Gi mit auf Reisen nehmt, bietet sich ganz zufällig noch die Möglichkeit tolle Bilder zu machen.
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Bilder/Text: Max
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